Die Zahlen liegen auf dem Tisch: Fast jeder vierte Verein in ländlichen Regionen verzeichnet laut einer Zivis-Studie1 Rückgänge bei der Zahl der Engagierten. Über 15 000 Vereine haben sich hier im vergangenen Jahrzehnt aufgelöst. Die Nachwuchsprobleme gefährden die Existenz vieler weiterer Vereine. Was also tun? Gefordert wird immer wieder der Aufbau von Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, von „Kümmerern“ also, die den Kulturakteur*innen zur Seite stehen. Denn klar ist, die Netzwerke in Dörfern und Kleinstädten sind zwar in der Regel stark, aber oft fehlt es an fachlicher Unterstützung, sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in den Verwaltungen.
Die LAG Soziokultur Thüringen hat deshalb – gemeinsam mit dem Thüringer Theaterverband und der LAG Spiel und Theater in Thüringen – 2018 das Weiterbildungsprojekt KULTUR LAND BILDEN ins Leben gerufen. Ziel des Modellprojektes war, die Kulturakteur*innen in den ländlichen Räumen und Kleinstädten Thüringens über unterschiedliche Angebote und Formate (Tages- und Kompaktseminare, Vereinscoachings, Netzwerktreffen) in ihrer Arbeit zu stärken, den Austausch untereinander zu fördern und so auch Impulse für die Nachwuchsgewinnung zu geben.
Ehrenamtsfreundlich
Besonders wichtig und erfolgreich waren die dreistündigen Kompaktseminare zu Grundlagen der Kulturarbeit (Buchhaltung, Vereinsrecht, Abgabepflichten, Kulturförderung, Öffentlichkeitsarbeit), die in jedem Semester jeweils in einer anderen Region des Freistaats angeboten wurden. Durch kurze Anfahrtswege und die „ehrenamtsfreundliche“ Zeit am Freitagnachmittag sollten die Hürden für die Teilnahme niedrig gehalten werden. In den Kompaktseminaren konnte nicht nur das eigene Wissen aufgefrischt werden, auch der Nachwuchs fand hier einen ersten fachlichen Einstieg in die Kulturarbeit. Mit dem Angebot eines mehrtägigen Coachings konnten Kulturvereine ergänzend zum Seminarangebot eine individuelle Vor-Ort-Beratung zu spezifischen Fragen bekommen.
Offen
Ein besonderes Vernetzungsformat von KULTUR LAND BILDEN ist der „Kultur-Frühschoppen“. In lockerer Runde haben Kulturakteur*innen an einem Samstagvormittag bei Getränken und Imbiss die Möglichkeit, einen fachlichen Impuls zu einem aktuellen Thema zu erhalten, Erfahrungen dazu auszutauschen oder sich einfach nur kennenzulernen. Im Februar 2019 stand die erste Veranstaltung unter dem Thema „Nachwuchsgewinnung“. Nach einem thematischen Impulsvortrag stellten vier Kulturvereine aus dem ländlichen Raum ihr Praxiswissen und ihre Erfahrungen zum Thema vor. Dabei zeigte sich, dass der entscheidende Faktor für Einrichtungen und Vereine die Öffnung für Neues ist. Das können neue Projektansätze oder Veranstaltungsformate sein. Auch die Ergänzung von traditionellen Festen mit modernen Elementen kann neue Engagierte anlocken. Sind Interessierte oder junge Initiativen da, sollten sie gestärkt und unterstützt werden. Das kann auch erfordern, dass eingefahrene Routinen unterbrochen oder Vereinsstrukturen neu gestaltet werden müssen. Ein partnerschaftliches Arbeiten auf Augenhöhe ist dabei unerlässlich.
Unerlässlich
Das Modellprojekt KULTUR LAND BILDEN wurde drei Jahre lang über das Bundesförderprogramm LandKULTUR des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie durch die Thüringer Staatskanzlei und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen gefördert. Nur dadurch konnten diese modellhaften Ansätze entwickelt und erprobt werden. Im Ergebnis überzeugten seine Qualität und Reichweite, sodass das Projekt durch die Staatskanzlei und die Sparkassen-Kulturstiftung auch im Jahr 2021 weiterfinanziert und damit verstetigt wird.
- ZiviZ im Stifterverband: Vereinssterben in ländlichen Regionen – Digitalisierung als Chance, Berlin 2018 ↩︎