Brandenburg – Zwischen kurzfristiger Sicherheit und unklarer Zukunft
Carsten F. Hiller vom Landesverband ImPuls Brandenburg e.V. schildert im WebTalk die aktuelle Lage der Soziokultur im Land. Mit Verpflichtungsermächtigungen hat das Kulturministerium eine erste Grundlage geschaffen, um den freien Trägern zumindest bis Mitte des Jahres eine gewisse Planungssicherheit zu geben – eine Maßnahme, die Hiller als dringend notwendig und lobenswert bezeichnet. Allerdings bleibt die finanzielle Basis auf dem Niveau vergangener Jahre, was die langfristige Entwicklung erheblich einschränkt.
Hoffnung weckt der neue Koalitionsvertrag, in dem Soziokultur und Festivals ausdrücklich als förderungswürdig erwähnt werden. Doch wie diese Absichtserklärungen konkret umgesetzt werden sollen, ist noch offen. Gleichzeitig weist Hiller auf die Schwierigkeiten auf kommunaler Ebene hin, wo Ausschüsse und politische Blockaden die Arbeit der Soziokultur erschweren und Projekte teils gezielt torpediert werden.
Soziokultur kann unglaublich viel, wenn man sie lässt.
Carsten F. Hiller/ImPuls Brandenburg e.V.
Trotz dieser Herausforderungen blickt Hiller optimistisch nach vorne. Er setzt darauf, die politische Bedeutung der Soziokultur mit Fakten und Argumenten zu untermauern und so langfristig stabile Rahmenbedingungen zu schaffen und macht deutlich, wie wichtig eine nachhaltige Unterstützung für den kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Brandenburg ist.
Thüringen – Zwischen politischen Hürden und finanziellen Herausforderungen
Detlef Fengler von der LAG Soziokultur Thüringen e.V. beschreibt die angespannte Lage der Soziokultur im Freistaat. Politische Blockaden und unklare Mehrheitsverhältnisse auf Landes- und Kommunalebene erschweren nicht nur die Arbeit der Akteur*innen, sondern verhindern auch die notwendige Planungssicherheit. Besonders problematisch ist, dass Haushaltsbeschlüsse noch ausstehen und politische Deals, beispielsweise zwischen CDU und AfD, immer wieder zu zusätzlichen Verwerfungen führen.
Es ist so eine Art Schwebezustand, und der hat sich noch nicht geändert.
Detlef Fengler/LAG Soziokultur Thüringen e.V.
Auch finanziell steht die Soziokultur unter Druck: Im Koalitionsvertrag der sogenannten „Brombeerregierung“ sind erhebliche Kürzungen vorgesehen – allein bei der Projektförderung sollen 800.000 Euro eingespart werden, und auch die Investitionsförderung könnte halbiert werden. Diese Einschnitte treffen besonders den ländlichen Raum, wo viele Einrichtungen mit baulichen Mängeln und unzureichender Infrastruktur kämpfen.
Hinzu kommt die zunehmende Polarisierung auf kommunaler Ebene: Vereine, die für Diversität und Offenheit stehen, geraten unter Druck, während andere traditionelle Einrichtungen bevorzugt gefördert werden. Fengler kritisiert diesen Trend und warnt vor einem schleichenden Verlust der Vielfalt und Qualität in der soziokulturellen Szene.
Sachsen – Zwischen Regierungsbildung und Stillstand
Die Soziokultur in Sachsen sieht sich mit großen Unsicherheiten konfrontiert, wie Kirstin Zinke vom Landesverband Soziokultur Sachsen e.V. erläutert. Die politische Instabilität erschwert es, klare Rahmenbedingungen für die Kulturarbeit zu schaffen.
Die Rahmenbedingungen, die durch den Bund kommen, sind ja schwarz, schwärzer, am schwärzesten.
Kirstin Zinke/Landesverband Soziokultur Sachsen e.V.
Die fehlende Planungssicherheit wirkt sich direkt auf die Finanzierung der Soziokultur aus. Einrichtungen, die institutionell gefördert werden, müssen mit Abschlägen rechnen. Für Projekte sieht es noch schlechter aus: Hier sei die Förderung nahezu ausgeschlossen. Zinke schildert, wie viele Akteur*innen bereits jetzt gezwungen sind, Szenarien für einen „geordneten Rückzug“ zu entwickeln, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und ihrer Verantwortung als Arbeitgeber gerecht zu werden.
Zusätzlich zu den landespolitischen Hürden drückt auch der Bund mit seinen Kürzungen auf die Länder und Kommunen. Ohne ein Finanzierungsmodell, das die Kommunen entlastet und die kulturelle Infrastruktur stabilisiert, sind viele Einrichtungen in ihrer Substanz gefährdet.
Strategien
Sachsen – Kreative Aktionen und politisches Engagement
Im WebTalk erläutert Kirstin Zinke vom Landesverband Soziokultur Sachsen e.V., wie die soziokulturellen Einrichtungen des Landes sich als stabile Partner in den Kommunen etabliert haben.
Wir sind das THW der Kultur – immer da, wenn keiner mehr weiß, wie’s weitergeht oder keinen richtigen Plan hat. Dann kommt man zur Soziokultur, und es funktioniert, weil wir einfach pragmatisch loslegen.
Kirstin Zinke/Landesverband Soziokultur Sachsen e.V.
Ein eindrückliches Beispiel für die strategische Arbeit bietet das Steinhaus Bautzen. Angesichts der rechten Montagsspaziergänge entwickelten die Akteur*innen eine kreative Lösung: Kulturelle Veranstaltungen wurden auf den gleichen Plätzen organisiert, wodurch diese Orte für positive und vielfältige Angebote genutzt wurden. Dadurch wurde die kulturelle Arbeit nicht nur sichtbarer, sondern auch die Stadtgesellschaft aktiv einbezogen.
Zinke betont, wie wichtig es ist, die politische Ebene aktiv einzubinden. Trotz knapper Ressourcen und hoher Arbeitsbelastung sei die Präsenz in politischen Debatten unverzichtbar, um die Interessen der Soziokultur sichtbar zu machen und auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen.
Thüringen – Kooperation und Jugendbeteiligung
Detlef Fengler von der LAG Soziokultur Thüringen e.V. schildert, wie die soziokulturellen Einrichtungen des Landes mit kreativen Ansätzen auf die aktuellen Herausforderungen reagieren. Während ein Teil der Akteur*innen angesichts politischer Unsicherheiten abwartet, suchen andere aktiv nach neuen Kooperationspartnern und entwickeln innovative Strategien. Besonders im Fokus stehen niedrigschwellige Angebote, um mehr Menschen zu erreichen, und der Einsatz moderner Plattformen wie TikTok, um jüngere Zielgruppen anzusprechen.
Es muss nicht gleich die Weltrevolution sein, sondern manchmal reicht es, einen neuen Treffpunkt zu organisieren oder sich mit anderen Gruppen auszutauschen.
Detlef Fengler/LAG Soziokultur Thüringen e.V.
Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Förderung der Jugendbeteiligung. Dabei geht es nicht nur um Nachwuchsgewinnung, sondern auch darum, junge Menschen zu ermutigen, sich aktiv im Gemeinwesen einzubringen. Fengler betont, dass oft kleine Schritte, wie das Mitorganisieren eines Treffpunkts oder der Austausch mit anderen Gruppen, große Wirkung entfalten können.
Brandenburg – Pragmatismus und rechtliche Stabilität
Carsten F. Hiller vom Landesverband ImPuls Brandenburg e.V. betont, dass Pragmatismus eine der größten Stärken der Soziokultur ist. Der Fokus liegt darauf, als Landesverband klare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um Grauzonen und potenziellen Missbrauch, etwa durch populistische Kräfte, zu vermeiden. Beispiele hierfür sind Themen wie die TA Lärm, Bauordnungen oder Campingplatzverordnungen. Ziel ist es, Planungssicherheit für soziokulturelle Zentren, Festivals und Kommunen zu gewährleisten, damit funktionierende Strukturen auch bei politischen Veränderungen stabil bleiben.
Ein weiterer strategischer Ansatz liegt in der Positionierung von Soziokultur und Festivals als Lernorte, in denen Diskussion und Auseinandersetzung möglich sind, um unterschiedliche Perspektiven aufzugreifen und voneinander zu lernen. Zusätzlich will der Landesverband stärker vor Ort präsent sein, um die spezifischen Bedürfnisse von kleinen Einrichtungen auf dem Land und größeren Einrichtungen in der Stadt zu erfassen.
Unsere große Stärke war über viele Jahrzehnte der Pragmatismus.
Carsten F. Hiller/ImPuls Brandenburg e.V.