Ein Haus voller Leben

Das Gemeinschaftshaus Langwasser in Nürnberg

Als Andra-Maria Jebelean 2024 die Leitung des Gemeinschaftshauses Langwasser übernahm, traf sie auf ein Haus voller Leben – und auf eingefahrene Strukturen. Mit Offenheit, Mut und klaren Worten begann sie, eine neue Kommunikationskultur zu etablieren: respektvoll, empathisch, transparent. Heute ist das Gemeinschaftshaus nicht nur kultureller Mittelpunkt des Stadtteils, sondern auch ein Beispiel dafür, wie Führung auf Augenhöhe gelingt.
Oktober 25
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Das Gemeinschaftshaus Langwasser wurde 1968 – als eines der ersten großen Gemeinschaftshäuser Deutschlands – im Herzen des Nürnberger Stadtteils Langwasser eröffnet. Mit der Stadtteilbibliothek, den offenen Räumen für zahlreiche freie Gruppen und vielfältigen Veranstaltungs- und Freizeitangeboten ist es das Kulturzentrum im Stadtteil und einer der 12 Nürnberger Kulturläden°. Das Gemeinschaftshaus sorgt für die kulturelle Grundversorgung der Bürgerschaft in Langwasser mit nahezu 43.000 Einwohnenden. Als Haus der „Kultur für alle“, öffnet es sich zivilgesellschaftlichem Engagement, und ist Plattform für kreatives und künstlerisches Schaffen und Knotenpunkt im Stadtteilnetzwerk der Vereine und Initiativen.

Kulturwandel im Kulturladen: Wie kommt man zu guter Kommunikation

Stell dir vor, du kommst in ein Haus voller Leben, in dem jeden Tag Menschen ein- und ausgehen. Ein Ort der Begegnung, der Kreativität und des Austauschs. Doch hinter den Kulissen knirscht es. Hierarchien, alteingesessene Gewohnheiten und eine Kommunikationskultur, die alles andere als zeitgemäß ist. Genau das war die Situation, als Andra-Maria Jebelean die Leitung des Gemeinschaftshauses Langwasser in Nürnberg im Jahr 2024 übernahm.

Überraschung und Skepsis

Die Überraschung im Team war groß, als die Entscheidung für Andra-Maria Jebelean fiel – eine junge, weibliche Person, die neu in Führung kommt und dies bei so einem großen Haus. Freudige Reaktionen mischten sich mit Skepsis. Sarkastische Bemerkungen über Äußerlichkeiten und süffisante Kommentare waren an der Tagesordnung. Die neue Leiterin musste schnell handeln und klarstellen, dass persönliche Angriffe und sexistische Bemerkungen, auch wenn sie manchmal von den Angesprochenen gar nicht so wahrgenommen werden, inakzeptabel sind.

Andra-Maria Jebelean, Leitung des Gemeinschaftshauses Langwasser

Herausforderungen und erste Erfolge

Es folgten viele Einzel- und Gruppengespräche, in denen die neue Leitung des Hauses ihre Vorstellungen von einer respektvollen Teamarbeit verdeutlichte. Transparente Kommunikation, Empathie und das offene Ansprechen von Problemen wurden zu Schlüsselbegriffen des Umgangs miteinander. Anfangs rief dies bei einigen Widerstand hervor und Unsicherheiten wurden spürbar. Doch die Beharrlichkeit zahlte sich aus.

Teamfortbildungen und neue Rituale

Um den Kulturwandel weiter voranzutreiben, organisiert Andra-Maria Jebelean fortlaufend Fortbildungsangebote zu Themen wie Sensibilisierung zu diskriminierender Sprache und auch zu Antirassismus, zu denen alle interessierten Akteure im Haus eingeladen sind. Auch neue Kommunikationsrituale wurden eingeführt, zum Beispiel ein persönlicher Einstieg in den wöchentlichen „Jour Fixe“ mit Fragen wie „Was wäre der Titel deiner Biografie?“ oder „Frust- und Sonnenmomente der letzten Woche“. Die Teamsitzungen enden mit einer Minute der Stille oder bewegten Einheiten. Ein internes „Schwarzes Brett“ für Beschwerden wurde eingerichtet, und Probleme wurden offen angesprochen und gemeinsam gelöst.

Grenzen und Ausblick

Trotz aller Erfolge gibt es auch Grenzen des Wandels der Kommunikationskultur. Die Vorgaben der Kommune, zu der das Haus gehört, stehen manchmal der offenen Kommunikationskultur entgegen. Auch der Umgang mit bestimmten Nutzer*innengruppen, die sich nicht an Absprachen halten oder auch einen Wandel im Umgang miteinander nicht für notwendig halten, stellt eine Herausforderung dar. Doch Andra-Maria Jebelean und ihr Team blicken optimistisch in die Zukunft. Sie setzen auf neue Programme, um weitere Zielgruppen und Menschen, die sich für den Stadtteil engagieren möchten, zu erreichen und den positiven Kulturwandel weiter voranzutreiben.

Empfehlungen

Für alle, die einen ähnlichen Kulturwandel anstreben, hat die junge Leitung des Gemeinschaftshauses Langwasser folgende Empfehlungen:

  • Das Team stets auf Augenhöhe mitnehmen, viele Gespräche führen und bei Bedarf Unterstützung durch Coaching oder Supervision suchen.
  • Auch mal einen Blick auf die einschlägige Literatur im Bereich Führung und Organisationsentwicklung werfen.
  • Offenheit für neue Formate und Perspektiven sowie Wertschätzung von Emotionen und Empathie sind entscheidend für eine gelingende Kommunikationskultur.
Matti Kunstek

ist Leiter des Teams KUF im Südpunkt in Nürnberg