Die Unterschiede feiern

Kommunikation an Dritten Orten

Soziokulturelle Zentren stehen für Dialog und Vielfalt. Doch echte Kommunikation entsteht nicht von selbst. Was braucht es, damit Dritte Orte wirklich verbinden und Unterschiede überwunden werden? Ein Plädoyer für Weite, Vertrauen und das Aushalten von Grautönen.
Juli 25
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Kommunikation ist für die meisten von uns kompliziert und auf jeden Fall für alle komplex. Wir kennen den Satz von Paul Watzlawick „Wir können nicht nicht kommunizieren“ und doch wissen wir generell zu wenig über gute Kommunikation. Wir postulieren Begegnung, Austausch und Diversität, doch in der Realität nehmen Polarisierungen von Meinungen, gesellschaftliche Blasenbildung und Einsamkeit massiv zu.

Für soziokulturelle Zentren sind Werte wie Perspektivenvielfalt und Netzwerkarbeit immer schon eine Kernaufgabe. Seit einigen Jahren wird für Orte wie sie im politischen Raum der Begriff „Dritte Orte“ verwandt. Dritte Orte sind Orte der Begegnung von Menschen außerhalb der Familie (erster Ort) und des Arbeitsplatzes (zweiter Ort). Doch wie gelingt wirkliche Begegnung unterschiedlicher Menschen an Dritten Orten? Wie gelingt Diversität? Und was ist mit dem Anspruch, interkulturell, inklusiv, eventuell auch noch intergenerativ zu sein? Und – häufig noch weit außerhalb unserer Aufmerksamkeit – wie sieht es mit dem Klassismus aus, also den Vorurteilen oder der Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder der sozialen Position? Beruhen nicht ohnehin 90 Prozent aller Kommunikationskonflikte auf Fragen von Macht und Beziehung? Soziokulturelle Zentren halten gesellschaftliche Werte hoch, doch auch für sie sind die vielschichtigen Kommunikationsprozesse in ihren Einrichtungen oft nicht leicht zu bewältigen.

Wie können sie die Herausforderungen meistern? Reicht es für diese komplexe Kommunikationslage, ein soziokulturelles Zentrum als Ort vorzuhalten, der von vielen Menschen als attraktiv empfunden und regelmäßig genutzt wird? Ein angenehmer Rahmen ist sicherlich eine Voraussetzung – die persönliche Offenheit der Akteur*innen eine weitere und notwendige Grundlage.

Eine Anwohnerin sagte sinngemäß: „Ich hatte arge Bedenken und Ängste, als ich hörte, dass in meiner Nachbarschaft 50 Geflüchtete einquartiert werden. Nachdem wir hier im Dritten Ort aber in der großen Runde auch mit ihnen zusammen waren, muss ich sagen: Die sind alle sehr nett – und wir grüßen uns seitdem auf der Straße.“ Es hilft, sich zu begegnen und einander positiv zu erleben, um Vorurteile abzubauen. Dazu braucht es eine humanistische Haltung und Moderationsfähigkeiten, durch die alle Beteiligten wertgeschätzt werden.

Als Geschäftsführerin der Schuhfabrik Ahlen habe ich immer wieder erfahren, dass Menschen sich angenommen und zugehörig fühlen müssen, um sich zu zeigen und sich auf einen wirklichen Austausch einzulassen, der ein Überdenken von Meinungen und Überzeugungen möglich macht. Zu einer demokratischen Aushandlung und für die Nutzung eines gemeinsamen Ortes braucht es also Vertrauen und einen „weiten Raum“. Oftmals wird aufkommendes Vertrauen jedoch durch schnelle Bewertungen zunichte gemacht. Das soll nicht heißen, dass man eigene Positionen aufgibt oder nicht benennt. Wichtig ist, sie mit einem ehrlichen Interesse zu äußern und die anderen mit ihrer vermeintlich fremden Meinung verstehen zu wollen. Erst danach können Aushandlungsprozesse beginnen, sind Kompromissfindungen möglich, für ein achtendes Miteinander im soziokulturellen Zentrum und an anderen Dritten Orten. Es gibt viele Facetten zwischen Richtig und Falsch und Schwarz und Weiß! Es gibt wunderbare Graustufen und Zwischenräume zu entdecken. Ich wünsche mir, dass gerade in der Soziokultur mit Weite und Offenheit auf die aktuellen allgegenwärtigen Verengungen reagiert wird!

 „Es sind nicht unsere Unterschiede, die uns trennen. Es ist unsere Unfähigkeit, diese Unterschiede anzuerkennen, zu akzeptieren und zu feiern.“                                                                           

Audre Lorde, US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin (1934-1992).

Christiane Busmann

Christiane Busmann war bis 2024 Geschäftsführerin des Vereins „Bürgerzentrum Schuhfabrik“ in Ahlen.