Unter dem klassischen soziokulturellen Motto „Wir boxen uns durch!“ feierte die LAG Soziokultur Thüringen am 25. August ihr 30-jähriges Jubiläum im Kassablanca in Jena. In einer fulminanten Show wurden die Grenzen zwischen Kultur und Sport spielerisch überwunden, und der Beschwerdechor der Projektmanager*innen brachte einen bissig-humorvollen Kommentar zu den Arbeitsbedingungen in der freien Kulturarbeit auf die Bühne.

Los ging‘s bereits am späten Nachmittag vor dem soziokulturellen Zentrum Kassablanca. Bei bestem Wetter brachten die sechzehn Musikerinnen von Tuba Libre aus Weimar das Publikum mit ihrem mitreißenden Brassbeat in Stimmung, während die gut frequentierte Bowlebar für Abkühlung sorgte. Zwei Ausstellungen blickten auf 30 Jahre Soziokultur zurück: die Open-Air-Ausstellung „Kultur braucht Liebe“ von 2013 zeigte nochmals zwanzig Akteurinnen der Thüringer Soziokultur in ihrem Arbeitsumfeld im Großformat. Und unter dem Titel „Blühende Landschaften“ versammelte Boris Hajdukovic eine Auswahl seiner stimmungsvollen Fotografien von den LAG-Bustouren zu Kultureinrichtungen jenseits der großen Städte.
Dann aber konnte die Show im Saal beginnen, wo ein echter Boxring als Bühne fungierte. Die glänzend aufgelegte Ringsprecherin Anne Martin gab das Signal für den Einlauf des „Team Soziokultur“. Mit viel Licht und Nebel und mit leuchtenden Mänteln stellten sich Janet und René vom Kick- und Thaiboxen Gotha e.V. sowie Emma und Karoo vom Contact Sports Club Erfurt dem überraschten und gleichwohl begeisterten Publikum vor.

Kulturminister und Bundesverband würdigen Soziokultur
Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff würdigte anschließend in seiner Rede mit einem Rückgriff auf die Situation in den frühen 1990er Jahren die Bedeutung von soziokulturellen Zentren in politisch unsicheren Zeiten. Sie seien bis heute Orte, an denen sich Menschen entwickeln und an denen Demokratie und Teilhabe eingeübt werden könnten.
Anschließend stiegen Ellen Ahbe und Georg Halupczok vom Bundesverband Soziokultur in den Ring. In einem beschwingten Dialog würdigten sie die langjährige und erfolgreiche Arbeit der LAG, insbesondere die derzeitige modellhafte Umsetzung einer Strukturförderung für soziokulturelle Einrichtungen. Auch mahnten sie angesichts des anstehenden Generationswechsels und des Fachkräftemangels eine angemessene Vergütung der Mitarbeiterinnen in den soziokulturellen Einrichtungen an.
Danach wurde es sportlich: Das Team Soziokultur begeisterte mit drei jeweils dreiminütigen Sparringskämpfen in gemischten Besetzungen. Bernd Seydel erläuterte als fachlich versierter Ringkommentator während der Kämpfe, worauf es beim Boxen ankommt – nämlich nicht, nur auf den anderen einzuschlagen, sondern ihn zu respektieren und auf ihn achtzugeben, ja mehr noch: miteinander zu kooperieren. Und spätestens hier wurden die Gemeinsamkeiten zwischen dem Boxen und der Soziokultur deutlich: Bei beiden gehören Ausdauer, Kreativität und die Fähigkeit, sich immer wieder schnell auf neue Situationen einzustellen, zu den Grundtugenden.
Kulturpolitischer Beschwerdechor
Zwischen den Boxrunden erfolgten mit dem Quiz zu 30 Jahren Soziokultur und dem Beschwerdechor der kulturellen Leitungskräfte zwei bemerkenswerte Pausenaktionen. Während Alexander Lochthofen als charmanter Quizmaster das Publikum mit einigen Kuriositäten aus der LAG-Geschichte vertraut machte, gaben die knapp 15 Kulturmanagerinnen über drei Lieder hinweg einen bissig-humorvollen Kommentar zu den Arbeitsbedingungen in der freien Kulturarbeit und zur Umgestaltung der Landesfinanzierung für kulturelle Leitungskräfte ab. Dabei ging es ihnen weniger um eine generelle Kritik an dieser Reform – schließlich bringt sie für alle mehr Planungssicherheit und weniger Bürokratie –, sondern um eine tarifgerechte Vergütung des geförderten Personals.
Schade, aber auch bezeichnend war, dass fast keine Vertreter*innen aus der Landeskulturpolitik und -verwaltung der Einladung gefolgt waren, um die langjährige Arbeit im freien Kulturbereich zu würdigen. So bleibt das Fazit eines rundum gelungenen Abends: Wir werden uns auch weiter durchboxen müssen!

Virtuelle Ausstellung: 30 Fundstücke
Einen Rückblick auf 30 Jahre Soziokultur in Thüringen bietet auch die virtuelle Ausstellung „30 Fundstücke“. Ein wandernder Kamin, ein verborgenes Wandbild, ein aufgemöbelter Theaterwagen – das sind nur drei von 30 ausgewählten Fundstücken, die die LAG in ihrem Jubiläumsjahr gemeinsam mit ihren Mitgliedern dafür zusammengestellt hat. Jedes Fundstück erzählt seine Geschichte, die meist geschichtsträchtigoft weit zurückreicht, mal schön und manchmal auch kurios ist. Alle Fundstücke zusammen ergeben ein kleines und feines Kaleidoskop zu 30 Jahren soziokultureller Praxis in Thüringen.
Filmdoku zum Jubiläum unter hier.