Ellen Ahbe: Frau Budde, Sie sind Diplom-Ingenieurin für Arbeitsgestaltung und haben sich als Landespolitikerin beinahe 30 Jahre lang den Schwerpunktthemen Arbeit, Wirtschaft und Technologie gewidmet. Was hat Sie bewegt, sich auf der Bundesebene der Kultur zuzuwenden?
Katrin Budde: Kultur hat mich schon immer interessiert. Ich komme aus einem sehr kunst- und kulturaffinen Elternhaus. Mein Vater ist Ingenieur und Holzbildhauer. Hinzu kommt, dass ich nach 27 Jahren im Landtag und den Themen Arbeit und Wirtschaft eh über einen Themenwechsel nachgedacht habe. Als klar war, dass die Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion neu aufgestellt werden muss, habe ich mich schnell dafür entschieden. Dass ich dann noch Vorsitzende dieses Ausschusses geworden bin, ist natürlich fantastisch. Und für ein Kulturland wie Sachsen-Anhalt war es genau die richtige Entscheidung. Es ist eine wichtige und spannende Aufgabe, die ich mit viel Leidenschaft erfülle.
Ellen Ahbe: Wirtschaft und Technologie einerseits, Kultur andererseits – sowohl die gesellschaftlichen Bereiche als auch die politischen Ressorts bewegen sich in stark getrennten Netzwerken und Diskursen. Gibt es aus Ihrer Sicht Dinge, die die einen von den anderen lernen sollten?
Katrin Budde: Da muss ich widersprechen. Es gibt sogar sehr große Bereiche wie die Kultur- und Kreativwirtschaft, die Industriekultur und den Kulturtourismus, die unmittelbar mit beiden Bereichen, der Kultur und der Wirtschaft, zu tun haben. Und die Wissenschaft ist eh elementarer Bestandteil von Kultur. Die Kultur ist zudem einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland und trägt erheblich zur Bruttowertschöpfung bei. Wirtschaft funktioniert nicht ohne Kreativität und Kultur funktioniert nicht ganz ohne Wirtschaftlichkeit. Beide sollten kontinuierlich voneinander lernen und profitieren.
Ellen Ahbe: Gibt es eine Einrichtung der Soziokultur, zu der Sie einen besonderen, vielleicht sogar privaten Bezug haben?
Katrin Budde: Da gibt es viele. Aber wenn Sie ein Beispiel hören wollen, dann will ich den Kulturanker e.V. aus Magdeburg nennen, dem ich mich persönlich schon aus meiner Arbeit als Landtagsabgeordnete sehr verbunden fühle. Auch weil er nicht nur in Städten agiert, sondern mit Vereinen im ländlichen Raum zusammenarbeitet. Und in meinem Wahlkreis ist eigentlich jeder Heimatverein ein kleines soziokulturelles Zentrum, das Menschen aller Altersgruppen zusammenbringt. Ihnen bin ich sehr verbunden, denn fast alles wird ehrenamtlich geleistet.

Ellen Ahbe: Sie haben Kunst und Kultur im ländlichen Raum zu Ihrem Thema gemacht, weil Ihnen klar ist, dass strukturschwache und deindustrialisierte Flächenregionen ohne sie kaum Entwicklungschancen haben. Gibt es einen konkreten Anlass, bei dem Sie zum ersten Mal dachten: Das schaffen die Kommunen und Länder nicht allein, da muss der Bund helfen?
Katrin Budde: Ich war 27 Jahre Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt. Ich habe gesehen und gespürt, was die Deindustriealisierung mit unserem Land gemacht hat. Am härtesten hat es dabei die ländlichen Regionen getroffen, weil sie sich weniger als Verwaltungs-, Wissenschafts- und Dienstleistungsstandorte etablieren konnten. Dort gibt es keine Ministerien, Universitäten oder große überregionale Ämter.
Und leider ist Kultur immer noch eine freiwillige Leistung von Ländern und Kommunen. Wenn es in den Haushalten knapp wird, wird an der Kultur oft als Erstes gespart. Leider. Meine persönliche Auffassung ist, dass Kultur ein fester Bestandteil der Daseinsvorsorge sein muss, denn kulturelle Angebote gehören für mich zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse dazu. Deshalb bin ich der Meinung, dass der Bund hier auch helfen muss, vor allem in strukturschwachen Regionen, in denen die öffentlichen Haushalte nicht so leistungsfähig sind. Seit ich selbst einen ländlichen Wahlkreis als Abgeordnete im Bundestag vertrete, ist mir das noch klarer geworden, da ich bei meinen Terminen vor Ort immer damit konfrontiert werde.
Ellen Ahbe: Das Förderprogramm LAND INTAKT hat vielen Einrichtungen der Kunst und Kultur sehr geholfen. Das zeigen wir ja auch in dieser Ausgabe der SOZIOkultur. Sehen Sie Möglichkeiten einer Fortsetzung oder gewissen Verstetigung?
Katrin Budde: Ich finde das Programm LAND INTAKT sehr gut, denn es unterstützt, wo Unterstützung benötigt wird, und die Hilfe kommt an. Ich wünsche mir, dass das Programm fortgeführt und auch verstetigt wird. Ich hoffe, dass es uns als Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern gelingt, das durchzusetzen.
Ellen Ahbe: Wie verhalten sich die anderen politischen Ressorts zu den Anliegen von Kunst und Kultur? Haben Sie in dieser Hinsicht während der Legislaturperiode Änderungen festgestellt?
Katrin Budde: Ja, ich habe Veränderungen festgestellt. Bisher wurden Kunst und Kultur von vielen als ein Zusatz, ein Luxus gesehen. Doch die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, welch große Rolle Kunst und Kultur in unserem Leben spielen. Das haben viele erst jetzt verstanden, weil die Kultureinrichtungen geschlossen sind, die bisher immer als selbstverständlich erachtet wurden.
Ellen Ahbe: Was sind Ihre Erwartungen an die Akteurinnen und an den Bundesverband der Soziokultur?
Katrin Budde: Dass Sie wie bisher der Transmissionsriemen für Ideen und auch Notwendigkeiten für die Soziokultur sind. Und dass Sie, wenn Sie das Gefühl haben, dass wir in der Politik gerade zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt sind, uns freundschaftlich daran erinnern, wie wichtig Soziokultur für unsere Gesellschaft, für uns alle ist. Ich empfinde die Zusammenarbeit mit den Akteurinnen und dem Verband bisher als ausgesprochen zielführend und angenehm. So soll es bleiben. Und sage einfach auch einmal danke an Sie.