LOTTE-Kult
„Radio LOTTE! – Radio LOTTE, das ist das, wofür Gott Ihre Ohren geschaffen hat“, hat Götz Alsmann mal
ins Mikro des Weimarer Lokalradios gesagt. So verweist er darauf, dass Bürgerradios wie LOTTE viel mehr sind als „bloßes“ Radio. Radio LOTTE jedenfalls ist Stadtradio und Stadtkommunikator, ein lokales Bürgermedium, auch ein medienpädagogischer Lernort, eine Werkstatt für Jung und Alt und ein kreativer Ort – LOTTE ist Kult …
Und: Es ist ein soziokulturelles Projekt im Äther. In ihm findet man mediale, kulturelle, soziale und kommunalpolitische Initiativen und Aktivitäten: Kultur mit Unterhaltung und Bildungsangeboten, Soziales im Engagement und Bemühen um Teilhabe und Vielfalt, Kommunalpolitik mit Nachrichten, Informationen, Hintergrundwissen. Ein Werbespruch, der an der spätklassizistischen Fassade des Weimarer Niketempels prangt, lautet: „Radio LOTTE – eine Frage der Einstellung“! Das meint nicht nur die Frequenz, sondern vor allem die redaktionelle Haltung. Der „Tempel“ ist der Sitz der Radiomacher*innen und befindet sich am belebtesten Platz mitten in der Stadt.
LOTTE-Zeit
LOTTE ist kein Offener Kanal. Es ist ein Radio mit Redaktionen, einem verantwortlichen Programmchef, einem Redaktionsleiter, mit Lokalnachrichten-Redaktion und einem Moderator*innenstab. Gesendet wird 24 Stunden am Tag auf einer UKW-Frequenz für Weimar und das Umland. Selbstverständlich ist LOTTE jederzeit und weltweit im Internet zu erreichen. Da gibt es ein fünfstündiges „Stadtmagazin“ wochentags an jedem Vormittag mit Nachrichten aus Weimar und der Welt, mit Kommentaren, Veranstaltungshinweisen, Interviews, Berichten und natürlich auch mit viel Musik – die übrigens ganz bewusst nicht dem Mainstream folgt und bei deren Auswahl sich die Musikredaktion bemüht, im Vergleich mit anderen Rundfunkprofilen in der Region unverwechselbar zu sein. Für die Abendstunden und Sonntage gestalten ehrenamtliche Redakteurinnen zahlreiche thematische Spezialsendungen zu Politik, Geschichte und Literatur sowie Musikszenen und Talkrunden. Zu den Macherinnen zählt auch die „Bauhaus FM“, das Student*innenradio der Bauhaus-Universität Weimar. Außerdem gibt es freie Sendezeiten für all diejenigen, die sich mal ausprobieren wollen, ohne gleich regelmäßig einen Sendeplatz zu füllen.
LOTTE-Club
Im alten Gemäuer des Niketempels – übrigens bereits vor 163 Jahren als ein Medienhaus, ein „Lesemuseum“ mit Zeitschriften errichtet – befinden sich Büround Arbeitsräume, ein großer Redaktionsraum mit einem Sendestudio im „Glaskasten“, dazu ein kleiner Saal im Parterre, in dem man Sendungen mit Publikum, vor allem aber medienpädgogische Werkstätten durchführen kann.
Der Radiobetrieb wird durch einen Verein getragen und durch den „LOTTE-Club“ und seine etwa 600 spendenden Mitglieder finanziell unterstützt. Dieses Radio ist in der Stadt gut verankert und wird wertgeschätzt.
Besonders stolz sind wir auf die von Studentinnen und Radiomacherinnen gemeinsam entwickelte „SendeRikscha“, ein Sendestudio samt kompletter Technik und Solardach auf einem Fahrrad. Es ermöglicht, dass Radio LOTTE direkt aus Stadtteilen, Vereinen oder Festivalgetümmel übertragen kann.
Beim NSU-Prozess in München wurde per Los entschieden, welche Medien live von dort berichten dürfen. Eines fiel auf Radio LOTTE mit seiner Rikscha, worüber mancher große Medienprofi damals nicht glücklich war. Techniker*innen von anderen anwesenden Radiostationen staunten nicht schlecht: Ja, das ist tatsächlich Radio! Die Akkreditierung hat LOTTE dann genutzt, um seine Beiträge vom Prozess 14 weiteren Bürgerradios zur Verfügung zu stellen – von Rostock bis Hildesheim, von Leipzig bis Ulm.

LOTTE-Team
Aber bei allem berechtigten Stolz: Es kostet Anstrengungen, damit an jedem frühen Morgen das Mikrofon
im Studio für die Programme wieder aufgeschaltet werden kann. Eines der spürbaren Probleme ist zunehmender Personalmangel – der sich nach den Corona-Jahren, als viele Ehrenamtliche das Studio gar nicht mehr betreten durften, noch einmal verstärkt hat.
Nach der LOTTE-Gründung 1998 gab es noch bis zu 120 Mitstreiterinnen beim Sender – in Redaktionen, Verwaltung, Projektorganisationen, für den Betrieb des Hauses … Von solchen Zahlen sind wir heute weit entfernt. Das hat sicher auch mit den „Mühen der Ebenen“ (Brecht) zu tun. Wenn man um eine Frequenz erst kämpfen und sich dann immer wieder bewähren muss, wird solch ein Projekt zu etwas ganz Eigenem der ersten Mitstreiterinnen. Wer jetzt, 25 Jahre nach dem Sendestart, hier mitarbeitet, braucht um nichts zu „kämpfen“, sondern kann ganz selbstverständlich die vorhandenen Strukturen nutzen. Das aber schafft eine andere Haltung, einen anderen Bezug zum Radiobetrieb.
Zu DDR-Zeiten konnte man von einem freien Bürgerradio nur träumen. Was machen wir heute mit den Möglichkeiten eines Bürgerradios? Wie entwickeln wir es weiter, bleiben auf der Höhe der Zeit? LOTTE versucht, auch für das Führen solcher Diskussionen Modell zu sein.