MK: Was folgt aus dem Beschluss der Stadt Augsburg, Kultur als vierte Dimension nachhaltigen Handelns anzuerkennen, für die Kulturlandschaft in Augsburg?
JK: Man sollte meinen, ein Aufeinandertreffen mit den drei ursprünglichen Dimensionen, also Ökonomie, Ökologie und Soziales, auf einer gewissen Augenhöhe. Dies ist jedoch noch nicht erreicht. Wer einen formalen Beleg möchte, braucht nur einen Blick auf die Zusammensetzung des Nachhaltigkeitsbeirats oder der Agendaforen in der Region Augsburg zu werfen. Meine Kollegin Anne Schuester, Teil des Leitungsteams des Sensemble Theaters, und ich vertreten die Kultur in diesen Gremien. Da ist es nicht immer leicht, die eigenen Positionen mit dem nötigen Druck einzubringen – wenn wir mit 15 Kolleginnen am Tisch sitzen, die sich in einer eher ökologisch geprägten Blase bewegen. Für uns war diese Ungleichheit Anlass zu überlegen, wie wir das Thema Kulturarbeit und Nachhaltigkeit sichtbarer machen können, auch um mehr Wahrnehmung zu erzeugen. Also haben wir ein mehrstufiges Workshop-Konzept entwickelt, das Künstlerinnen und Kulturorten Möglichkeiten eröffnet, sich zu informieren und auf Basis dieser Infos eigene Strategien zu entwickeln.
Die Stadt selbst hat auch einige gute Möglichkeiten, mit Vorbildfunktion im Kontext Kulturarbeit und Nachhaltigkeit zu agieren. Beim wichtigsten Projekt der letzten und wohl auch der nächsten Jahre – dem umstrittenen Neubau des Staatstheaters – droht sie jedoch komplett zu versagen. Dieses Megaprojekt droht nicht nur termin- und budgettechnisch, sondern total aus dem Ruder zu laufen, auch beim Thema Nachhaltigkeit. Das ist bezeichnend für den zähen Kulturwandel auf den Entscheidungsebenen der kommunalen Verwaltungen, der Nachhaltigskeitsaspekte mitbedenkt, aber durch enge Prozesse oft den aktuellen Bedarf für einen nachhaltigen Wandel nicht zielgerecht ansteuern kann.
MK: Können die Kulturakteur*innen in der Region die Zielsetzungen der Nachhaltigkeitsagenda erfüllen und werden sie dabei gefördert?
JK: Theoretisch wäre enorm viel leistbar, weil der Wille zur Veränderung da ist. Aber in der Tat fehlen oft die Mittel. Die bestehenden Förderprogramme werden nur sehr unzureichend genutzt. Es fehlt eine institutionelle Schnittstelle, die bei dieser Möglichkeit der Refinanzierung Expertise und Umsetzungswillen mitbringt. Es ist immer wieder grotesk zu erfahren, wie viele Mittel wir ungenutzt lassen, weil wir nicht in der Lage sind, in die nötigen Einstiegsqualifikationen zu investieren.
MK: Wo kann die Kultur zur ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeit beitragen?
JK: Die Frage ist doch eher, wo nicht? Über kulturelle Themen erreichst du unglaublich viele Menschen jeden Alters und jeden Milieus. Auf dieser Basis kannst du Ideen und Forderungen transportieren. Außerdem weiß jede*r daran Interessierte, wie hoch der Kickback bei Investitionen in die Kultur ist. Davon kannst du in anderen Wirtschaftsbereichen nur träumen. Es gibt in all unseren Bereichen so unglaubliche Schnittmengen. Daraus lässt sich schon was machen.